Wednesday, 13 July 2011

Audi MedCup : Bergfest in Cagliari



Dritte der fünf hochklassigen Regattaserien startet am Dienstag (19. Juli). Deutsche TP 52 „Container“ mit Skipper Markus Wieser nach Sieg in Marseille diesmal auch Gejagte. Jochen Schümann will Aufwärtstrend des Audi Sailing Team powered by All4One fortsetzen


Image copyright © Stefano Gattini_Studio Borlenghi/Audi MedCup

von Andreas Kling

Eine Woche vor Beginn der dritten von fünf Regattaserien des Audi MedCup Circuit in Cagliari auf Sardinien/Italien (19. bis 24. Juli) könnten die Ausgangspositionen für die beiden deutschen Segelyachten in der Bootsklasse TP 52 unterschiedlicher kaum sein. Nach ihrem sensationellen Sieg bei der Marseille Trophy im Juni in Frankreich ist die neue „Container“ von Udo Schütz aus Selters bis auf elf Punkte an die gesamtführende Topfavoritin „Quantum Racing“ aus den USA herangerückt. Steuermann Markus Wieser aus Starnberg wird sich wohl oder übel mit der Zweitrolle des Gejagten auseinander setzen müssen. Und zu den ehrgeizigen Jägern gehört auch Skipper Jochen Schümann mit dem deutsch-französischen Audi Sailing Team powered by All4One, das zwar im Zwischenklassement bis dato nur den vorletzten Rang einnimmt, sich aber im Vergleich zum Saisonauftakt in Portugal (Cascais Trophy) zuletzt stark verbessert zeigte.

„Wir liegen voll im Soll und sind als Neulinge in der TP 52 natürlich mit dem bisherigen Saisonverlauf mehr als zufrieden“, sagt Markus Wieser, der das Podium als hochgestecktes Ziel ausgab. „Aber das ist überhaupt kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.“ Hatte seine Mannschaft mit Platz zwei beim Auftakt zunächst für allgemeines Erstaunen in der Szene gesorgt, war spätestens seit dem Gewinn der Marseille Trophy klar, dass die nach einer Konstruktion von Judel/Vrolijk in England gebaute „Container“ keine Eintagsfliege ist. Und dennoch arbeitet das Team weiter Verbesserungspotential heraus. Eine Schlüsselfigur dabei: Großsegeltrimmer und Segeldesigner Hartwell Jordan aus den USA. „Wir bekommen zwei neue Vorsegel, um unsere Geschwindigkeit hoch am Wind bei leichter Brise zu erhöhen“, so Wieser, „in dem Bereich konnten wir mit den Besten noch nicht ganz mithalten.“

Dazu zählte der 46-jährige auch die russische „Synergy“ um Eugeniy Neigodnikov, der jedoch Konstanz fehlte und die dadurch in Frankreich nur Fünfte wurde. Das Maß aller Dinge bleibt die „Quantum Racing“ um den America’s Cup-Gewinner von 2007, Ed Baird. Lange Zeit hatte sie auch die zweite Serie angeführt, ehe sie von der „Container“ noch abgefangen wurde. „Das hat uns am Ende nur anderthalb Punkte gekostet, während wir unseren Vorsprung auf alle anderen Verfolger ausgebaut haben“, will Projektmanager Ed Reynolds die Niederlage nicht als Misserfolg werten. „Wenn du vorne liegst, segelst du ganz anders und gehst nicht so viel Risiko ein“, erklärt der US-Amerikaner, „aber du kannst nicht auf alle anderen gleich gut aufpassen. Das ist bei der Tour de France im Radsport derzeit nicht anders.“

Reynolds nannte auch einen riskanten Schlag des Audi Sailing Team im letzten Rennen von Marseille als Grund für den verpassten Regattasieg. Damit hatten Jochen Schümann und sein Taktiker Sebastien Col nämlich die „Quantum Racing“ im Schlussspurt überholt und so der „Container“ den alleinigen Sieg geebnet. Der dreimalige Olympiasieger und seinerseits America’s Cup-Gewinner als Teamchef von Ed Baird lässt sich diesen Erfolg jedoch nicht madig machen. „Wir haben Stück für Stück unser Selbstvertrauen zurückgewonnen“, so Schümann, „und können uns jetzt mehr auf das taktische und strategische Regattasegeln gegen die Gegner konzentrieren, weil wir uns nicht mehr so große Sorgen um das Speedpotential unseres Neubaus machen müssen.“

Das innovative Judel/Vrolijk-Design war in Portugal durch Spinnaker- und Trimmprobleme schlicht zu langsam gewesen, hatte vor Monatsfrist aber sogar seinen ersten Tagessieg gefeiert. Schümann: „Podiumsplätze sind und bleiben auch unser Saisonziel, wenngleich die Top drei in der Endabrechnung wohl kaum noch zu erreichen sein dürften. Es ist zu unwahrscheinlich, dass alle Führenden patzen.“ Dennoch sei die Leistungsdichte der acht Syndikate beispiellos. Im Audi MedCup könne jeder jeden jederzeit schlagen. „Das ist auch der große Unterschied zum nächsten America’s Cup, wo noch nicht einmal sicher ist, dass es überhaupt acht Teilnehmer an die Startlinie schaffen“, meint Deutschlands erfolgreichster Segler aller Zeiten, „und die Chancen sind dort zudem von vornherein ungleich verteilt.“

Der 57-jährige vertraut derselben Aufstellung wie zuletzt und erwartet vor dem hochsommerlichen Sardinien eine konstante leichte bis mittlere Seebrise. Bei stürmischem Mistral hatte er indes die letzte Wettfahrt im Audi MedCup 2010 an gleicher Stelle gewonnen. „Wir nehmen eben was kommt. Uns sind alle Windbedingungen recht.“

Ebenfalls unverändert geht die „Container“ ins Bergfest der laufenden Saison, die noch Regatten in Cartagena im August und das Finale in Barcelona (beides Spanien) auf dem Kalender hat. „Wir haben mit dieser Crew für die gesamte Saison geplant, und alle sind Feuer und Flamme auf die nächsten Rennen“, berichtet Wieser von einer exzellenten Stimmung innerhalb des Teams. „Wir spüren überhaupt keinen Druck. Wir haben Spaß beim Segeln, und das ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Bei uns an Bord wird unterwegs auch mal gelacht.“

Das Regattarevier in der U-förmigen Bucht von Cagliari ist weitgehend vor Wellengang geschützt. Das halb geschlossene Becken sorgt durchaus an beiden Seiten für einige Nuancen in Windrichtung und -stärke. Spätestens am Wochenende treffen die Protagonisten vor Ort ein, denen laut Reglement erst zwei Tage vor dem Wettkampf ein Training auf der Regattabahn erlaubt ist. Nach einem Practice Race am Dienstag wird es für die TP 52 am Tag darauf (20. Juli) ernst. Die Soto 40 mit der gesamtführenden spanischen „Iberdrola“ beginnen ihre Rennen am Donnerstag. Die Entscheidungen fallen am Sonntag (24. Juli).

Zwischenstand im Audi MedCup Circuit 2011 (nach zwei von fünf Regatten)
TP 52-Serie

1. Quantum Racing (USA), Skipper Ed Baird, 49 Punkte
2. Container (Selters), Markus Wieser, 60
3. Audi Azzurra Sailing Team (Italien), Guillermo Parada, 69,5
4. Synergy Russian Sailing Team (Russland), Eugeniy Neigodnikov, 76,5
5. Ràn (Schweden), Niklas Zennström, 82
6. Bribón (Spanien), Gonzalo Araujo, 85,5
7. Audi Sailing Team Powered by All4One (Kiel), Jochen Schümann, 101,5
8. Gladiator (Großbritannien), Anthony Langley, 132,5

Soto 40-Serie
1. Iberdrola Team (Spanien), 27
2. Patagonia (Argentinien), 45
3. Noticia IV (Spanien), 47
4. XXII (Spanien), 49
5. Ngoni (Großbritannien), 59

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